Positionspapier des ZK-Kinder- und Jugendwerks zu Rechtsradikalismus, Rassismus und Diskriminierung

Vor 30 Jahren hat sich in den neuen Bundesländern insbesondere in Sachsen eine Bürgerbewe- gung für Freiheitsrechte und Demokratie stark gemacht. Diese Bewegung hat die damalige DDR und die damalige BRD verändert und für unsere ganze Gesellschaft die Weichen neu gestellt.

Heute nehmen wir deutlich wahr, dass das Pendel in unserer Gesellschaft in eine andere Richtung schwingt. Es wird versucht, die Weichen, die in Richtung Freiheitsrechte und Demokratie gestellt wurden, zugunsten von demokratiefeindlichen Kräften umzustellen. Wir hören neue, manchmal auch „alte“ Töne, die erneut zum Klingen gebracht werden.1

Wir sehen dies z.B. bei Konflikten, die in Bezug auf Menschen verschiedener Ethnien entstehen. Wir nehmen an vielen Stellen eine verrohte, verletzende und polarisierende Sprache wahr. Wir hören diese Sprache in der Politik. Wir lesen sie in Zeitungen und sozialen Medien. Die Rolle Deutschlands in der Geschichte zwischen 1933 und 1945 wird an mancher Stelle heruntergespielt oder gar verherrlicht und verfälscht.

In den Konflikten um den Umgang mit der Corona-Pandemie erleben wir, wie verschiedene anti- demokratische Kräfte die Krise um die Pandemie verschärfen und für ihre Zwecke nutzen.

Einige Beweggründe für die Verschärfung der gesellschaftlichen Situation sehen wir im demogra- fischen Wandel, in der Ungleichberechtigung im Bildungssystem, der Erfahrung von Wegzug und damit dem Gefühl zurückgelassen worden zu sein sowie der Angst vor Veränderungen und dem Verlust der eigenen Identität.

Die gesellschaftliche Entwicklung ist geprägt von Debatten, in denen Vielfalt und Menschen- rechte in Frage gestellt werden. Die „Grenze des Sagbaren“ ist in Deutschland und in vielen eu- ropäischen Ländern nach rechts gerückt. Zugleich wächst in der Bevölkerung der Anteil derer, denen Weltoffenheit, Vielfalt und Gleichwertigkeit Angst machen. Dabei sind rechtsextreme und rechtspopulistische Einstellungen tief in der Gesellschaft verankert. Alltagsrassismus ist in der Breite der Gesellschaft wahrzunehmen.

Der Rechtspopulismus verfolgt eine politische Strategie, „(...) die autoritäre Vorstellungen ver- tritt und rassistische Vorurteile ausnutzt und verstärkt.“2 Ebenso sind menschen- und demokra- tiefeindliche Einstellungen, Nationalismus sowie die Ablehnung der EU und Geschichtsrevisio- nismus für den Rechtspopulismus kennzeichnend. Rechtspopulist:innen wollen einen sozialen Klimawandel erzeugen, um die Demokratie anzugreifen. Dazu greifen sie gesellschaftliche Stim- mungen auf. Mit einer „Rhetorik der Angst“ werden polarisierende Antworten gegeben, um so die Debatten zunehmend nach rechts zu verlagern.3

Es wird immer selbstverständlicher, aus der Angst um die eigene Sicherheit, aus der Angst um den eigenen Wohlstand und aus der Angst, immer mehr Macht zu verlieren, andere Menschen auszugrenzen und im Netz zu diffamieren. „Fake News“, „Hate Speach“ und all die beschriebenen Konflikte sind kein neues Phänomen; aber die Herausforderung ihnen entgegenzutreten ist eine ganz aktuelle Aufgabe.

Polarisierung und Gewaltbereitschaft sowie anhaltendes Demokratiemisstrauen sind beunruhi- gend und bergen Gefahren für das Zusammenleben. Je länger gruppenbezogene Menschenfeind- lichkeit, rechtspopulistische und rechtsextreme Einstellungen in der gesellschaftlichen Mitte verankert bleiben, hat dies fatale und nachhaltige Auswirkungen, auf Demokratie, Frieden, ge- sellschaftlichen Zusammenhalt und Wohlstand.

Eines unserer Charakteristika als Christ:innen ist die Nächstenliebe. Nächstenliebe äußert sich heute in Solidarität, Hilfsbereitschaft und der inneren Überzeugung, die eigene Freiheit an der Freiheit des anderen Menschen zu begrenzen.

Jesus hat uns vorgelebt, uns in einer positiven Art und Weise mit anderen Menschen auseinan- derzusetzen. Ein ehrlicher Umgang miteinander, eine rücksichtsvolle und gewaltfreie Sprache und der Versuch, unterschiedliche Erfahrungen und Bedürfnisse wahrzunehmen, sind grundle- gend, um Menschen in der Nachfolge Jesu zu begegnen.

Es ist mit dem christlichen Glauben unvereinbar, Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Ge- schlechts, ihres Glaubens, ihrer Liebesweise oder ihrer sozialen Zugehörigkeit zu entwerten.

Im biblischen Zeugnis finden wir Worte wie: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ (Gal 3, 281). Der christliche Glaube überwindet Grenzen und verzichtet auf Urteile über andere.

Als Christ:innen und Gemeinden sind wir herausgefordert in gesellschaftlichen Auseinanderset- zungen als Friedensstifter:innen zu wirken und uns für die Nächsten und die Benachteiligten ein- zusetzen.

Auch die Aufnahme von Fremden ist ein zentrales Merkmal des christlichen Glaubens. Im Alten und Neuen Testament finden wir Zeugnis davon.

In unserem Glauben können wir erleben, dass Wandel, Umkehr und Neuanfang etwas Bereichern- des sind und dem Leben dienen. Diese Erfahrung ist ein Schatz gegen Angst, Misstrauen und Ab- schottung.

Wir sehen uns dazu aufgefordert, den Rückzug in private oder innerkirchliche Räume zu stoppen. In unserer Funktion als Salz der Erde und Licht der Welt haben wir die Verheißung und den Auf- trag, uns gesellschaftlich einzubringen.

Die Gemeinde kann nicht existieren, ohne dass sie etwas von dem weitergibt, was sie selbst emp- fangen hat. Ihre Mission beschränkt sich nicht auf einzelne Aktivitäten zur Gewinnung neuer Mit- glieder. Ihre Sendung besteht aus der selbstverständlichen Ausstrahlung der Kraft und der Wärme, von der sie selbst lebt.4

Auch in unserer methodistischen Tradition ist soziales Engagement verwurzelt. John Wesley und seine Leute gingen in die Gefängnisse und besuchten Straftäter:innen, setzten sich mit den The- men ihrer Zeit wie Sklaverei, Alkoholismus, Analphabetismus und Hungersnot auseinander.

Mit unserem Zeugnis von der Liebe Christi vertreten wir Werte wie Toleranz, Respekt, Solidarität, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe. Wir glauben, dass uns in unserem Land und unserer Demo- kratie so viel geschenkt ist, dass das Ausgrenzen von Menschen, Entsolidarisierung und Frem- denfeindlichkeit keinen Platz haben. Das fordert uns dazu heraus, Menschen in unserem Land aufzunehmen, ihnen in Nächstenliebe zu begegnen und uns Herausforderungen wie dem Klima- wandel, Bildungsgerechtigkeit und sozialer Ungleichheit zu stellen, anstatt unsere Augen vor dem Leid anderer zu verschließen.

Um unsere Kinder- und Jugendarbeit antisemitismuskritisch und rassismuskritisch zu gestalten:5

  • bekräftigen wir die grundlegenden Äußerungen über Rassismus in den Sozialen Grundsätzen der Evangelisch-methodistischen Kirche. Darin heißt es unter anderem: „Rassismus ist Sünde: er verdirbt und behindert unser Wachsen in Christus, weil er im direkten Widerspruch zum Evange- lium steht.“
  • leben wir Demokratie im Alltag und werben für eine demokratische und gewaltfreie Form des Zusammenlebens.
  • vermitteln wir den Wert der Gleichberechtigung und setzen uns für den Schutz vor Diskriminie- rung ein.
  • arbeiten wir mit kommunikativen und partizipativen Ansätzen.
  • machen wir Angebote, die dem Empowerment von Kindern und Jugendlichen dienen und die Auseinandersetzung mit erlebter Diskriminierung ermöglichen.
  • regen unsere Angebote zur Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Verhältnissen, politi- schem Denken und gesellschaftspolitischen Aktivitäten an.
  • positionieren wir uns deutlich gegen gruppenbezogene Diskriminierung und jegliche Form von Extremismus und Gewalt.
  • richten die Kinder- und Jugendwerke eine Ansprechstelle für Kinder, Jugendliche und Mitar- beiter*innen, die Diskriminierung erfahren, ein.
  • organisiert das Kinder- und Jugendwerk der ZK regelmäßig ein Antirassismustraining für Mit- arbeiter:innen.
  • unterstützen wir unsere haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden, eine eigene Haltung ge- gen Rassismus und Antisemitismus zu entwickeln.

Berlin, Stuttgart, Zwickau, im März 2021
Lars Weinknecht | Jeremias Georgi | Andreas Fahnert | Jörg Hammer

 

1 Vgl. Evangelische Kirche Berlin- Brandenburg- schlesische Oberlausitz: „Haltung zeigen“, S. 5.
2 Arbeitsgemeinschaft der Ev. Jugend in Deutschland e. V.: „Haltung zeigen und Ursachen beseitigen!“, 2018, S. 2.
3 Vgl. Arbeitsgemeinschaft der Ev. Jugend in Deutschland e. V.: „Haltung zeigen und Ursachen beseitigen!“, 2018, ebd.
4 Vgl.: Klaiber, Walter, Das Matthäusevangelium. Teilband 1: Mt1,1-16,20, S. 96.
5 Vgl. Schaubild: „in Zukunft: Jugendarbeit antisemitismuskritisch und rassismuskritisch und empowernd. Mit Organisationsentwicklung zum Ziel“, Amadeu Antonio Stiftung.

 

Positionspapier